Am 1. August 2022 treten Änderungen im Nachweisgesetz und anderen Vorschriften in Kraft, die nicht nur für neue Arbeitsverhältnisse Anpassungsbedarf in den Unternehmen auslösen. Die Ampelkoalition hat sich für eine bürokratische Umsetzung der europäischen Vorgaben und gegen digitale Möglichkeiten entschieden. Unternehmensseitige Verstöße sind bußgeldbewehrt.
Berlin, 27.06.2022 – Der Deutsche Bundestag hat am 23. Juni 2022 den Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union verabschiedet. Am 08. Juli 2022 wird das Gesetz auch den Bundesrat passieren und damit seine letzte Hürde nehmen. Es bringt zahlreiche Änderungen im Nachweisgesetz und anderen Gesetzen mit sich, die von großer Bedeutung für die Praxis sind. Arbeitgeber müssen ihre Arbeitsvertragsmuster umfassend prüfen und anpassen.
Die zugrundeliegende Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union ("Arbeitsbedingungenrichtlinie") legt in ihren Erwägungsgründen dar, dass aufgrund "einiger neuer Arbeitsformen" eine größere Notwendigkeit für Mitarbeitende bestünde, umfassend und zeitnah in einer leicht zugänglichen Form über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichtet zu werden. Sie lässt dabei ausdrücklich die elektronische Form zu, stellt jedoch nunmehr eine umfassende, mit unterschiedlichen Fristen versehene Liste von Unterrichtungspflichten auf.
Diese Richtlinie wird durch Änderungen des Nachweisgesetzes (NachweisG), aber auch andere Gesetze, u.a. AÜG oder TzBfG umgesetzt. Die wesentlichen Festlegungen im NachweisG sind folgende:
- Entgegen den Möglichkeiten der Richtlinie bleibt es dabei, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niederzulegen sind und die elektronische Form ausgeschlossen Es ist nicht nachvollziehbar, dass dies im digitalen Zeitalter so entschieden wurde. In den Beratungen des Gesetzentwurfs forderte die Wirtschaft die Möglichkeit der elektronischen Form. Sie blieb jedoch erfolglos, da durch einzelne Fraktionen und den DGB nicht akzeptable Kompensationswünsche geäußert wurden.
- Erstmals stellen Verstöße gegen bestimmte Vorschriften des NachweisG eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von jeweils bis zu 2.000 Euro geahndet werden können. Dies trifft z.B. auf das Schriftformerfordernis zu.
- Bei ab dem 01. August 2022 begründeten Arbeitsverhältnissen sieht das Gesetz abhängig von der Art der Arbeitsbedingungen unterschiedliche Fristen für die Übergabe der wesentlichen Arbeitsbedingungen Da für einige Arbeitsbedingungen die Übergabe am ersten Tag der Arbeitsleistung erfolgen muss, wird dies in der Praxis wird das dazu führen, dass alle Arbeitsbedingungen am ersten Tag ausgehändigt werden.
- Auch für bereits bestehende Arbeitsverhältnisse gelten die Neuregelungen. Beschäftigte können vom Arbeitgeber verlangen, dass die im NachweisG genannten wesentlichen Arbeitsbedingungen ausgehändigt werden. Dabei gelten je nach Thema Fristen von einer Woche oder einem Monat.
- Folgende Arbeitsbedingungen müssen künftig zusätzlich zu den bereits jetzt in § 2 NachweisG genannten Vertragsbedingungen aufgenommen werden:
- das Enddatum bei befristeten Arbeitsverhältnissen;
- die Möglichkeit, dass die Mitarbeitenden ihren jeweiligen Arbeitsort frei wählen können, sofern vereinbart;
- die Dauer der Probezeit, sofern vereinbart;
- die Vergütung von Überstunden;
- die Fälligkeit des Arbeitsentgelts und die Form, in der es ausgezahlt wird;
- die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für die Schichtänderungen;
- Einzelheiten zur Arbeit auf Abruf, falls diese vereinbart ist;
- die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen;
- ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung;
- im Grundsatz: Name und Anschrift des Versorgungsträgers der betrieblichen Altersversorgung, falls eine solche gewährt wird;
- das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Mitarbeitenden einzuhaltende Verfahren (mindestens Schriftformerfordernis, Kündigungsfristen, Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage);
- ein Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen.
- Darüber werden erweiterte Dokumentationspflichten für Sachverhalte eingeführt, bei denen die Mitarbeitenden länger als vier aufeinanderfolgende Wochen im Ausland arbeiten und/oder der Auslandsaufenthalt unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen fällt.
In der Praxis dürften diese neuen Vorgaben nicht allein in geänderten Arbeitsvertragsmustern abbilden. Es empfiehlt sich vielmehr, zumindest einen Teil dieser Angaben als einseitige Unterrichtungen zu fassen, um sich nicht unnötig für eventuelle spätere Änderungen einzuschränken.
Arbeitgeber sollten das Thema ernst nehmen und die Standardabläufe bei Neueinstellungen anpassen. Aber auch auf Nachfragen von Bestandsarbeitnehmern muss man gefasst und vorbereitet sein. Hierfür dürfte in vielen Unternehmen ein Standardschreiben nicht genügen, da die Arbeitsbedingungen sich individuell oft unterscheiden.
Quelle: Marktplatz Mittelstand Newsletter-Service