Gefahrstoffverordnung – Ein Schritt zurück in der Arbeitssicherheit?

~ Anonymous
Titelbild vom Blogbeitrag: Gefahrstoffverordnung - Ein Schritt zurück in der Arbeitssicherheit?

Datum: 04.09.2024 - Lesedauer: 5 Minuten - Autor: SIGEKO IN DER REGION Redaktion

 

In den letzten Wochen sorgte der neue Referentenentwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung für kontroverse Diskussionen. Besonders die Streichung der Erkundungspflicht sorgte für Empörung, da sie potenziell gefährliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Bauarbeitern und Handwerkern mit sich bringen könnte.

 

Für mehr Sicherheit und Gesundheitsschutz am Bau muss prinzipiell sichergestellt werden, dass die Handwerksbetriebe schon bevor sie ihre Arbeit aufnehmen, über eventuell vorhandene Gefahrstoffe, wie zum Beispiel Asbest, gewarnt werden und entsprechende Schutzmaßnahmen umsetzen können. Dazu muss im Vorfeld eine Beprobung der Materialien erfolgen, die entfernt, ersetzt oder bei einer Sanierung mit einbezogen werden. Eine Beprobung zu organisieren, sollte Pflicht des Bauherrn werden. Diese Verpflichtung wurde in der neuen Fassung der Gefahrstoffverordnung jedoch gestrichen. Stattdessen sollen Auftraggeber lediglich vorhandene Informationen über mögliche Asbestbelastungen an die ausführenden Unternehmen weitergeben.

 

Warum gilt Asbest als gefährlich?

Asbest ist bekannt dafür, erhebliche gesundheitliche Risiken zu bergen. Jährlich sterben in Deutschland schätzungsweise 1500 Menschen an den Folgen von asbestbedingten Erkrankungen. Zu diesen zählen bösartige Tumore des Kehlkopfs, der Lunge, des Rippen- und Bauchfells sowie der Eierstöcke. Besonders betroffen sind ehemalige Handwerker und Heimwerker, die in Berührung mit diesen gefährlichen Materialien geraten sind.

 

Folgen für Bauarbeiter und Handwerker

Besonders alarmierend ist, dass in vielen Gebäuden noch Millionen Tonnen von asbesthaltigen Baustoffen verbaut sind. Asbest findet sich nicht nur in den bekannten Eternitplatten, sondern auch in weniger offensichtlich verwendeten Materialien wie Fensterkitt, Fliesen- und Teppichklebern, Rohren, Putz oder Estrich. Sofern Gebäude vor dem Asbestverbot im Jahr 1993 errichtet wurden, sollte in der Regel von einer Belastung ausgegangen werden.

Die mangelnde Verpflichtung zur Erkundung in der neuen Gefahrstoffverordnung könnte dazu führen, dass viele Bauarbeiter unwissentlich gefährlichen Materialien ausgesetzt werden, was die Notwendigkeit der Forderung nach einer Nachbesserung im Interesse der Gesundheit von Baubeschäftigten umso dringlicher macht.

 

Potentielle langfristige Auswirkungen der fehlenden Erkundungspflicht

Die Streichung der Erkundungspflicht in der Gefahrstoffverordnung könnte gravierende langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit der Bauarbeiter haben. Ohne eine verpflichtende Erkundung der Baustellen besteht das Risiko, dass Handwerker unwissentlich mit gefährlichen Materialien, wie Asbest, in Kontakt kommen. Asbestfasern sind in der Lage, sich in der Lunge festzusetzen und dort über Jahrzehnte zu verbleiben, was zu schweren Erkrankungen führen kann. Zu den bekanntesten asbestbedingten Erkrankungen zählen Asbestose, Lungenkrebs und das Maligne Mesotheliom, eine besonders aggressive Form von Krebs, die oft erst Jahre oder sogar Jahrzehnte nach der Exposition auftritt.

Die Folgen dieses verzögerten Auftretens sind besonders besorgniserregend. Bauarbeiter, die vielleicht am Anfang ihrer Karriere stehen, könnten in einigen Jahrzehnten mit den verheerenden Konsequenzen dieses unsichtbaren Risikos konfrontiert werden. Zudem zeigt die Erfahrung, dass viele Betroffene erst dann eine Diagnose erhalten, wenn die Krankheit bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ist – oft ist dann die Prognose des Arztes alarmierend und die Behandlungsmöglichkeit bereits stark eingeschränkt.

Diese Situation hat auch soziale und wirtschaftliche Dimensionen: Eine erhebliche Zahl von Bauarbeitern könnte in der Folge schwer erkranken, was nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihrer Angehörigen und Familien negativ beeinflusst. Arbeitsausfälle, Erwerbsunfähigkeit und die damit verbundenen emotionalen und finanziellen Belastungen könnten die Betroffenen, ihre Familien sowie das Gesundheitssystem vor ernste Herausforderungen stellen.

Die Zunahme von asbestbedingten Erkrankungen würde zu einem höheren Druck auf die Gesundheitsversorgung, steigenden Behandlungskosten und letztlich auch zu Haftungsfragen für Unternehmen führen, die in der Verantwortung stehen.

Die langfristigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen einer nachlässigen Gefahrstoffverordnung könnten somit enorm sein. Daher ist es von entscheidender Bedeutung die Erkundungspflicht als essentielle Maßnahme für den Schutz von Menschenleben zu betrachten und für die Gesundheitsvorsorge der Bauarbeiter zu verankern.

 

Mediziner schlagen Alarm

Die Kritik an der Streichung der Erkundungspflicht ist unüberhörbar. Mediziner und Fachgesellschaften sind sich einig: „Mit dem Wissen von heute ist es unverantwortlich, den Gesundheitsschutz als zweitrangig einzuordnen.“ So betont ein gemeinsamer Vorstandsbeschluss der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin sowie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, dass Bauarbeiter kein Verbrauchsmaterial sind, sondern ein Recht auf angemessenen Schutz vor Krebsgefahren haben.

 

Eine Sache der Menschlichkeit

Die Reaktionen auf den Entwurf der neuen Gefahrstoffverordnung machen deutlich, dass ein Umdenken nötig ist. Es sollte nicht nur darum gehen, bürokratische Hürden zu minimieren, sondern primär um den Schutz derjenigen, die tagtäglich für unsere Infrastruktur arbeiten. Die Gefahren, die von Asbest und ähnlichen Stoffen ausgehen, sind bekannt, und es wäre ein schwerer Rückschritt, Bauarbeiter und Handwerker nicht angemessen davor zu schützen.

Es bleibt zu hoffen, dass die verantwortlichen Stellen die Warnungen ernst nehmen und die Gefahrstoffverordnung überarbeiten, um den Schutz der Arbeitnehmenden in der Bauwirtschaft zu gewährleisten. Schließlich steht die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten an erster Stelle und sollte auch bei künftigen Regelungen höchste Priorität haben.

Kommentare